Stefan Evertz M.Sc.
Geschäftsführer
Datenschutzbeauftragter TÜV

Katja Sändig
Fachanwältin für Steuerrecht
Steuerberaterin
Kanzlei Sändig

Umsatzsteuerreform 2021 – Worum geht es?

In diesem Jahr tritt eine der größten europäischen Umsatzsteuerreformen seit Jahrzehnten in Kraft. Die neue Umsatzsteuerreform betrifft den Online-Handel in besonderem Maße. Ende 2017 verabschiedete der europäische Rat einen Paket zur Modernisierung der Umsatzsteuer beim grenzüberschreitenden Online-Handel im B2C-Bereich.

Ab 01. Juli 2021 wird innerhalb des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) die 2. Stufe des sogenannten Mehrwertsteuer-Digitalpaktes in deutsches Recht umgesetzt.

Versandhandelsregelung (Läuft am 30. Juni 2021 aus)

Nach bisher geltender Versandhandelsregelung fällt die Umsatzsteuer bei einer grenzüberschreitenden Lieferung von Gegenständen – ausgenommen neue Fahrzeuge – von einem Unternehmer an einen Verbraucher bzw. Nichtunternehmer grundsätzlich nur dann im Zielland an, wenn eine von jedem EU-Mitgliedstaat selbst definierte Netto-Umsatzlieferschwelle pro Kalenderjahr überschritten wird.

Ansonsten fällt die Umsatzsteuer in dem Land an, in welchem das Unternehmen seinen Sitz hat. Die Grenzen der EU-Länder variieren sehr stark. Der niedrigste Euro-Wert beträgt 35.000 € (dieser Wert wird von der Mehrheit der Länder genutzt); der höchste Wert liegt in den Ländern Deutschland, Niederlande und Luxemburg bei 100.000 €. Diese Regelung wird ab dem 01. Juli 2021 durch die Fernverkaufsregelung abgelöst.

Fernverkaufsregelung ab dem 01. Juli 2021

Ab dem 01. Juli 2021 gilt eine EU-weite einheitliche Netto-Umsatzlieferschwelle von 10.000 € pro Kalenderjahr, die nationalen Lieferschwellen entfallen. Das bedeutet, dass bereits ab Überschreitung dieser Schwelle die Umsatzsteuer im Zielland zu entrichten ist, sofern es sich um eine digitale Dienstleitung oder eine Waren-Lieferung handelt und der Empfänger Verbraucher bzw. Nichtunternehmer aus einem anderen EU-Mitgliedstaat ist, sogenannter innergemeinschaftlicher Fernverkauf von Gegenständen nach Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 und Art. 33 a MwStSystRL. Die Umsatzsteuer ist im Bestimmungsland abzuführen, was eine umsatzsteuerliche Registrierung in diesem Land erfordert.

Wie berechnet man Netto-Umsatzlieferschwelle?

In die Berechnung der Netto-Umsatzlieferschwelle sind alle digitalen Dienstleitungen (§ 3a Abs. 5 UStG) oder Warenlieferungen (§ 3c UStG) an Verbraucher aus einem anderen EU-Mitgliedstaat einzubeziehen. Wenn der Betrag von 10.000 € durch Warenlieferungen und/oder digitale Dienstleistungen überschritten ist, sind die Umsätze stets im Bestimmungsland zu versteuern.

Der große Unterschied zwischen Versandhandelsregelung und Fernverkaufsregelung ist der, dass viel schneller eine Versteuerung in einem anderen EU-Mitgliedstaat vorkommt. Bei der Versandhandelsregelung musste man erst die Lieferschwelle in dem konkreten Land erreicht haben.

Beispiel: U ist ein Unternehmen aus Deutschland und verkauft Waren innerhalb der EU ausschließlich an Verbraucher. U verkauft im August 2021 Waren mit einem Netto-Wert von 10.000 € nach Italien. Im September verkauft U Waren im Wert von 200 € nach Malta. Das Ergebnis ist, dass der Netto-Umsatz von 10.000 € (da dieser der Netto-Umsatzlieferschwelle entspricht) in Deutschland versteuert werden und ab diesem Zeitpunkt alle Netto-Umsätze in dem EU-Mitgliedstaat versteuert werden müssen, in das sie geliefert werden. In unserem Beispiel müssen die 200 € somit in Malta versteuert werden.

Netto-Umsatzlieferschwelle im Jahr 2021

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den Lieferschwellen um Beträge, die sich auf ein Kalenderjahr beziehen. Nun gilt von 01. Januar – 30. Juni 2021 die Versandhandelsregelung und vom 01. Juli – 31. Dezember 2021 die neue Fernverkaufsregelung. Wichtig ist hierbei, dass keine zeitanteilige Berechnung stattfindet. Dies stellt das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 1. April 2021 im Umsatzsteueranwendungserlass zu § 3a.9a Abs. 1 Nr. 1 klar. Zur Beurteilung des Leistungsortes im Besteuerungszeitraum 01. Juli – 31. Dezember 2021 sind alle entsprechend anwendbaren Umsätze (Waren und digitale Dienstleistungen) aus dem Kalenderjahr 2020 sowie dem ersten Halbjahr 2021 einzubeziehen.

Beispiel: U ist ein Unternehmen aus Deutschland und verkauft Waren innerhalb der EU ausschließlich an Verbraucher. U verkauft im ersten Halbjahr 2021 Waren mit Netto-Wert von 12.000 € nach Italien. Da somit die ab dem 1. Juli 2021 maßgebliche Umsatzschwelle von 10.000 € für das Kalenderjahr 2021 bereits im ersten Halbjahr überschritten wurde, kommt es ab dem 1. Juli 2021 ab dem ersten Euro Umsatz zur Ortsverlagerung in den EU-Mitgliedstaat, in dem der Empfänger ansässig ist. U muss somit alle Umsätze bzgl. Waren und digitalen Dienstleistungen ab dem 1. Juli 2021 in dem EU-Mitgliedstaat versteuern, in denen die Empfänger ansässig sind.

Gibt es Ausnahmen?

Ja, bestimmte Waren unterliegen nicht der Fernverkaufsregelung. Gemäß § 3c Abs. 5 UStG nF kommt es in folgenden Fällen zu keiner Verlagerung des Orts der Lieferung an den Bestimmungsort:

1. Lieferung eines neuen Fahrzeugs
2. Gegenstand, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird
3. Lieferung eines Gegenstands welcher nach 25a Abs. 1 oder 2 UStG differenzbesteuert wird.

Kann man auf die Netto-Umsatzlieferschwelle verzichten?

Ja, wie bisher besteht auch in der neuen Fassung des § 3c Abs. 4 S. 2 und 3 UStG die Möglichkeit, dem Finanzamt gegenüber zu erklären, dass auf die Anwendung der Netto-Umsatzlieferschwelle verzichtet wird. Somit ist der Umsatz direkt ab dem ersten Euro im jeweiligen EU-Land zu versteuern.

Diese Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre. Ob dies sinnvoll ist oder nicht, muss stets auf den konkreten Einzelfall geprüft werden.

Welche Online-Händler sind betroffen?

Betroffen sind alle Online-Händler, die Waren und Dienstleistungen an Verbraucher aus einem anderen EU-Land verkaufen, unabhängig davon, ob es sich um Kleinunternehmer oder umsatzsteuerpflichtige Unternehmen handelt (Kleinunternehmerregelung iSd § 19 UStG gilt nämlich nur in Deutschland).

Kleinunternehmer im besonderen Maße betroffen

Somit treffen die neuen Regelungen besonders stark sogenannte Kleinunternehmer. Man kann davon ausgehen, dass sich äußerst wenige Kleinunternehmer bei Geltung der Versandhandelsregelung über das Thema Umsatzsteuer bei Lieferungen ins EU-Ausland Gedanken machen mussten, da die einzelnen Netto-Umsatzlieferschwelle in den Ländern pro Land mindestens bei 35.000 Euro lagen. Wohlgemerkt pro Land! In dieser Konstellation musste ein Kleinunternehmer schon sehr viel Umsatz im EU-Ausland tätigen, um hiervon betroffen zu sein.

Beispiel zur Versandhandelsregelung (Läuft am 30. Juni 2021 aus): U ist ein Kleinunternehmen aus Deutschland und verkauft Waren innerhalb der EU ausschließlich an Verbraucher. U verkauft in einem Kalenderjahr Waren mit Netto-Wert von 5.000 € nach Italien, 2.000 € nach Belgien und 3.000 € nach Österreich. Da die Netto-Umsatzschwelle pro genanntes Land bei 35.000 € liegt, ist eine Versteuerung in dem jeweiligen Land nicht notwendig. Da U Kleinunternehmer ist muss er auch keine Umsatzsteuer in Deutschland zahlen. Das Einzige was U in dem Fall beachten muss, ist die Umsatzschwelle von 22.000 €, um den Status als Kleinunternehmer zu behalten.

Beispiel zur Fernverkaufsregelung (ab dem 01. Juli 2021 gültig): U ist ein Kleinunternehmen aus Deutschland und verkauft Waren innerhalb der EU ausschließlich an Verbraucher. U verkauft in den ersten 6 Monaten eines Kalenderjahrs Waren mit Netto-Wert von 5.000 € nach Italien, 2.000 € nach Belgien und 3.000 € nach Österreich. Da die kumulierte Netto-Umsatzschwelle in der gesamten EU bei 10.000 € liegt, ist nun jeder weitere Umsatz bzgl. Waren und digitalen Dienstleistungen für den Rest des Kalenderjahres in dem EU-Mitgliedstaat versteuern, in denen die Empfänger ansässig sind. Das heißt obwohl U Kleinunternehmer ist und somit in Deutschland keine Umsatzsteuer zahlen muss, zahlt er diese nun ab jedem weiteren € Umsatz in dem entsprechenden EU-Mitgliedstaat. Dazu muss er sich entweder umsatzsteuerrechtlich in diesem Land erfassen lassen oder das sogenannte „OSS-Verfahren“ anwenden.

One Stop Shop (OSS-Verfahren)

Die Netto-Umsatzlieferschwelle wird bei den meisten Online-Händlern sehr schnell überschritten sein, sodass diese somit eine Versteuerung im EU-Ausland vornehmen müssen. Um zu vermeiden, dass ein Händler zahlreiche steuerliche Erfassungen in vielen verschiedenen Ländern vornehmen und anschließend laufend Umsatzsteuer-Anmeldungen in dem jeweiligen EU-Mitgliedstaat durchführen muss, gibt es den One Stop Shop (vgl. § 18j UStG).

Durch dieses Verfahren ist es möglich, dass die Umsatzsteuererklärungen bei einer Steuerplicht im EU-Ausland über den One Stop Shop vorgenommen werden kann, welcher vom Bundeszentralamt für Steuern betrieben wird. Die hierdurch gemeldeten Umsätze sowie die vereinnahmte Umsatzsteuer werden im Anschluss durch Bundeszentralamt für Steuern an die jeweiligen EU-Länder verteilt. In den One Stop Shop wird auch der bisherige Mini One Stop Shop (der nur für digitale Dienstleistungen genutzt werden konnte) miteinfließen, sodass es ab 01. Juli 2021 nur noch einen einheitlichen One Stop Shop geben wird. Weitere Informationen hierzu können Sie auch auf der Website des Bundeszentralamt für Steuern abrufen.

Fulfillment-Nutzer aufgepasst!

Wer Fulfillment-Services (wie beispielsweise den paneuropäischen Versand durch Amazon) nutzt, für den wird es komplex! Zwar kann der One Stop Shop genutzt werden, zu beachten ist allerdings, dass Waren bei Fulfillment-Services analog zur Nachfrage und Auslastung grenzüberschreitend umgelagert werden, was steuerbare Umsätze darstellt (innergemeinschaftliche Verbringungen und innergemeinschaftlicher Erwerb), sodass lokale steuerliche Registrierungen notwendig werden können. Dieses Thema muss stets individuell auf den Einzelfall bezogen, betrachtet werden.

Welche Maßnahmen sind nun notwendig?

Wollen Sie einzelne steuerliche Erfassung in verschiedenen Ländern vermeiden, können Sie den One Stop Shop nutzen. Wie Sie sich für den One Stop Shop registrieren können, können Sie hier nachlesen.

Achtung bei Preisangaben in Online-Shops!

Wenn Sie an Verbraucher verkaufen, müssen Sie stets Brutto-Preise angeben. Nach § 1 Abs. 1 PAngV  sind immer Gesamtpreise einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile anzugeben. Des Weiteren muss angegeben werden, dass die Preise die Umsatzsteuer und sonstige Preisbestandteile beinhalten, was in der Regel mit der Angabe „inkl. USt.“ oder „inkl. MwSt.“ umgesetzt wird. Der Steuersatz an sich ist nicht anzugeben. Nun variieren die Steuersätze innerhalb der EU-Staaten stark (hier können Sie sich über die verschiedenen Steuersätze informieren), was bei der Preisangabe zu einem betriebswirtschaftlichen Problem werden kann.

Man könnte natürlich den Preis konstant beibehalten, was allerdings aus betriebswirtschaftlicher Sicht schnell problematisch wird. Variiert die Gewinnspanne bei dem gleichen Produkt von Land zu Land, ist eine vernünftige Kalkulation nur schwer umzusetzen.

Auch die Erhöhung der Preise, um etwaige Schwankungen auszugleichen, birgt Gefahren, da man hierdurch ggf. nicht mehr wettbewerbsfähig bleibt.

Beide Alternativen könnten zudem Verstöße gegen die Geoblocking-Verordnung darstellen, da nicht gewährleistet ist, dass alle EU-Kunden, dieselben Bedingungen haben, wie die im Land des Unternehmens lebenden Kunden. Das Problem ist, dass die Netto-Preise auf Grund der unterschiedlichen Steuersätze variieren würden.

Die aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvollste Lösung besteht unserer Einschätzung darin, das Lieferland bei Aufruf und vor dem Zugriff der Website abzufragen, um somit die entsprechenden korrekten Preise anzuzeigen.  Somit bleiben die Netto-Preise und damit auch die Gewinnspannen konstant.

Unser Fazit zur Umsatzsteuerreform 2021

Eine Vereinfachung sollte erreicht werden. Wer die heutige E-Commerce-Welt kennt, weiß, dass eher das Gegenteil erreicht sein dürfte. Viele Unternehmen arbeiten mit Fulfillment-Services, sodass durch die Umsatzsteuerreform die Komplexität erheblich zunimmt. Des Weiteren variieren die Steuersätze innerhalb der EU-Staaten stark, was zunehmend Schwierigkeiten schaffen kann. Auch die verschiedenen Währungen (Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Ungarn, Dänemark, Polen Rumänien und Schweden haben keinen Euro) sind zu beachten. Online-Händler, die im B2C Bereich agieren, stehen vor wichtigen Entscheidungen.

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